Tettnanger Hopfen

Region: Schwaben

In Tettnang wird überwiegend hochfeiner Aromahopfen angebaut, der bei der Herstellung von Bierspezialitäten global höchste Anerkennung genießt.

Auf ca. 1300 Hektar Anbaugebiet werden etwa 2500 t jährlich geerntet (Quelle: LEL und LfL, Agrarmärkte 2023, S. 388)

Botanik

stumme Karte, Schwaben markiert

Botanisch gehört der Hopfen (humulus lupulus) zur Ordnung der Nesselgewächse (urticales) und zur Familie der Hanfgewächse (cannabaceae). Der Hopfen ist zweihäusig, d.h. auf einer Pflanze bilden sich entweder nur weibliche oder männliche Blütenstände. Angebaut wird nur „weiblicher Hopfen“, aus dessen Blüten sich die Dolden entwickeln.

Der Tettnanger Hopfen erreicht aufgrund begünstigter Standortfaktoren (Boden, Niederschlagsmengen und Durchschnittstemperaturen) entgegen anderen Anbaugebieten eine Wuchshöhe von bis zu 8,30 m (Gerüstanlagen in den anderen Anbaugebieten sind in der Regel 7 bis 7,50 m hoch). Er ist schnellwachsend (bis zu 30 cm pro Tag) und rechtswindend.

Als „Tettnanger Hopfen“ werden Aromasorten aus dem Anbaugebiet Tettnang definiert. Tettnanger Hopfen dient fast ausschließlich der Bierproduktion und geht überwiegend in der verarbeiteten Form von Hopfenpellets und zum geringeren Teil in der Form von Hopfenextrakt zum Kunden, da bei der Extraktion wertvolle Aromastoffe des Tettnanger Hopfens verloren gehen können. Die wertgebenden Inhaltsstoffe des Hopfens sind Bitterstoffe (Hopfenharze), Aromastoffe (Ätherische Öle) und Gerbstoffe (Polyphenole).

Geografisches Gebiet

Der kleinere Teil des Anbaugebiets Tettnang liegt in Bayern, genauer im Landkreis Lindau (Bodensee) mit den Gemeinden Bodolz, Lindau (Bodensee), Nonnenhorn und Wasserburg (Bodensee).

Der große Teil des Anbaugebiets liegt in Baden-Württemberg und umfasst im Bodenseekreis die Gemeinden Eriskirch, Friedrichshafen, Hagnau am Bodensee, Immenstaad am Bodensee, Kressbronn am Bodensee, Langenargen, Markdorf, Meckenbeuren, Neukirch, Oberteuringen und Tettnang. Im Landkreis Ravensburg gehören die Gemeinden Achberg, Amtzell, Berg, Bodnegg, Grünkraut, Ravensburg sowie Wangen im Allgäu (Gebiet der früheren Gemeinden Neuravensburg und Schomburg) dazu.

Historie

Der Anbau von Hopfen im Tettnanger Gebiet wird 1150 erstmals urkundlich erwähnt.

Der planmäßige Anbau erfolgte ab 1844, als ihn der Tettnanger Unteramtsarzt Johann Nepomuk von Lentz zusammen mit acht Stadtbürgern einführte, gezielt für den klimatischen Grenzbereich des Weins.

Die größte Ausdehnung erfuhr das Anbaugebiet Tettnang in den Neunzigern des 20. Jahrhunderts auf 1 650 Hektar. Im Gebiet Tettnang wurde bis dahin immer nur Aromahopfen selektiert und kultiviert.

Sehr gute Rückverfolgbarkeit

Die Herkunft des jeweiligen Hopfens wurde 1929 erstmals im so genannten Hopfenherkunftsgesetz geregelt und im Hopfengesetz von 1996 fortgeschrieben.

Der Gebietsname „Tettnang“ ist seit dem Hopfenherkunftsgesetz von 1929 als verpflichtende Angabe (mit Jahrgang und Sorte) auf der Hopfenverpackung quasi geschützt.

Wie bei keinem zweiten Agrarprodukt ist die Herkunft/ Rückverfolgbarkeit des Tettnanger Hopfens aus dem Anbaugebiet Tettnang seit Jahrzehnten gewährleistet. Amtlich vereidigte Siegelmeister/Fachwarte versehen bei der Abwage jedes Packstück mit einem Siegel und einer Begleiturkunde, welche einer „Geburtsurkunde“ gleichkommt und enthalten muss: Die Herkunft, das Bundesland, das Anbaugebiet, die Verarbeitungsstufe, die Siegelhallennummer, das Gewicht des Einzelpackstückes, die Zahl der Packstücke, die Sorte und den Jahrgang. Der Hopfenpflanzer bestätigt außerdem auf einer sog. Hopfenherkunftsbestätigung den Ursprung des Erzeugnisses.

Herstellungsverfahren

Das Hopfenjahr in Tettnang reicht von März bis September.

Der Tettnanger Hopfen wird in der Regel über sog. Schnittfechser oder Topfpflanzen vermehrt. Im April beginnt der Hopfenpflanzer mit den Bodenarbeiten (Fräsen, Eggen, Scheiben). Der Tettnanger Hopfenpflanzer kann seine Arbeiten im Gegensatz zu anderen Anbaugebieten, in denen das Drahtaufhängen bereits im Winter stattfindet, erst im Frühjahr beginnen. Dies liegt an gebietsspezifischen Aufleitsystemen. Während in anderen Anbaugebieten die Großraumanlage (Einreihensystem) vorherrscht, bilden in Tettnang 6 Reihen ein sog. „Fach“ und erst dann folgt die Fahrgasse.

Anfang bis Mitte April werden die Pflanzen unter der Erdoberfläche für den neuen Austrieb geschnitten. Dieser Schnittzeitpunkt erfolgt in Tettnang im Gegensatz zu anderen Anbaugebieten ca. 2-3 Wochen später, da die Pflanzen im Anbaugebiet Tettnang aufgrund der günstigeren klimatischen Bedingungen schneller wachsen und früher reif sind. Am Gerüst werden die ca. 8,50 m langen Drähte befestigt und im Boden verankert. Von den ca. 50 Hopfentrieben werden 2-4 Triebe an den Steigdraht angeleitet.

Ende Juni erreicht der Hopfen die Gerüsthöhe und geht in die Ausdoldung über.

Ab ca. 20. August beginnt die Ernte. Blätter, Triebe und Dolden werden von der Rebe getrennt und gereinigt. Nach der Trocknung (mit max. 62 Grad, um das hochfeine Aroma zu schonen) und Befeuchtung auf ca. 11 % Wassergehalt wird der Hopfen verpackt und geht zur örtlichen Siegelhalle, bei der die Abwaage, Bemusterung (fürs neutrale Qualitätslabor), Siegelung und Zertifizierung erfolgt.

Klima und Terroir

Der Tettnanger Hopfen wird ausschließlich auf dem sog. Niederterrassenschotter, der Jungmoräne der Würm-Eiszeit angebaut, im Schussenbecken, entlang der Argen und an deren eiszeitlichen Rändern.

Diese Bodenformation mit tiefer liegenden Grundwasserströmen ermöglicht ihm tief zu wurzeln (bis zu 2m). Gleichzeitig erfolgt dadurch eine kontinuierliche Feuchtigkeitsversorgung, auch bei extremen Trockenperioden. Das hier zwischen 400 und 600 m ü. NN herrschende, vom Bodensee mitregulierte, gemäßigt milde Klima spielt beim Tettnanger Hopfen eine weitere, wesentliche Rolle für die Aromaausprägung.

Der Tettnanger Hopfen findet in seinen Anbauregionen ausgezeichnete klimatische Bedingungen vor, die teils deutlich über den Durchschnittswerten anderer Anbauregionen liegen, was Temperatur, Sonnenstunden und Niederschlagsmenge betrifft. Das Zusammenwirken von geologischer Grundlage (Bodengüte) und klimatischen Gegebenheiten bewirkt ein Optimum bei Aufwuchs und Doldenbildung des Tettnanger Hopfens und damit seine weitgehend geografisch bedingte Homogenität.

Guter Ruf weit über die Grenzen hinaus

Der Tettnanger Hopfen verdankt seine weltweite Reputation auch und im Besonderen den hochfeinen Aromastoffen, welche sich aus über 300 Komponenten ätherischer Öle (der sog. Hopfenblume) zusammensetzen.

Die Aromabeschreibungen für den Tettnanger Hopfen bewegen sich im Spektrum blumig, zitrusartig, fruchtig, johannisbeerartig, süßlich und würzig. Der „Gesamteindruck Aroma“ wird für den im Anbaugebiet Tettnang angebauten Hopfen als „harmonisch, anhaltend voll und mild“ beschrieben. Da eine Vielzahl der 300 Aromakomponenten sensorisch noch nicht greifbar ist, zählt bei den Entscheidungsträgern und Einkäufern der Brauereien immer noch der subjektive Aromaeindruck (bei der Ausmusterung steckt der Einkäufer seine Nase in den Hopfen). Kenner in der Szene wissen hierbei den Tettnanger Hopfen als feinsten Hopfen zu definieren.

Weit über die regionalen Grenzen hinaus hat sich der Tettnanger Hopfen einen Namen gemacht. Feinstes Aroma aus der kleinen aber feinen Hopfenmetropole Tettnang findet weltweit seine Liebhaber und ist in Japan nicht weniger beliebt denn in den USA.
Ein besonderer Ausdruck von Wertschätzung und Güte z.B. ist, wenn der Brauer in den USA seine Gebinde mit dem Label-Aufdruck „brewed with Tettnang Hops“ ausweist, was nicht selten vorkommt. Tettnanger Hopfen erzielt ob seiner Güte stets die höchsten Verkaufspreise.

Aber auch die Menschen in der Hopfenstadt Tettnang selber leben für und mit dem Hopfen. Dies zeigen die regionalen Strukturen und Ereignisse rund um den Tettnanger Hopfen. So zeigt z.B. das seit 1995 bestehende Tettnanger Hopfenmuseum die ganze Faszination der Hopfenkultur. Auf dem 4 km langen Tettnanger Hopfenlehrpfad findet der interessierte Besucher alles Wissenswerte über den Tettnanger Hopfen. Die mit 42 km Gesamtlänge ausgewiesene Tettnanger Hopfenschlaufe führt den Radfahrer durch das Anbaugebiet Tettnang. Auf dem jährlich im August, kurz vor der Ernte, stattfindendem Hopfenfest in Tettnang-Kau zelebrieren die Einwohner Tettnangs die lange Tradition „ihres Grünen Goldes“. Last but not least repräsentieren die alle 2 Jahre neugewählten Tettnanger Hopfenhoheiten (Hopfenkönigin + 2 Prinzessinnen) den Tettnanger Hopfen regional und international.

Geschützte Spezialität

Logo geschützte geografische Angabe gelb und blau

Tettnanger Hopfen ist seit 2010 als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) bei der EU eingetragen.

Damit ist diese Bezeichnung in allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft geschützt und darf nur von Erzeugern genutzt werden, die die Vorgaben des Einzigen Dokuments einhalten.
zu eAmbrosia das EU-Register der geografischen Angaben